Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien by Milde Laura

Unheilige Gedanken auf dem Heiligen Weg, mein Jakobsweg quer durch Spanien by Milde Laura

Author:Milde, Laura [Milde, Laura]
Language: deu
Format: epub
Published: 2012-07-09T22:00:00+00:00


León, die Kathedralenstadt

Heute laufe ich in Vorfreude auf die Stadt. Sie soll bezaubernd und reich an Kunstschätzen sein, darunter eine der schönsten gotischen Kathedralen Spaniens. Und es ist warm. Angenehm warm und meine Laune ist bestens. Ich schließe mich ein paar Pilgern an, die, wie sich herausstellt, aus Österreich kommen. Ferdinand erzählt von seinen Erlebnissen in einer Schwitzhütte und ich kann mir nichts rechtes darunter vorstellen, nehme mir jedoch fest vor, das einmal auszuprobieren. Es scheint sehr besonders zu sein. Anders als ein Saunagang in einer finnischen Saune. Er singt mir ein Lied vor: „Mutter Erde trage mich!" Es gefällt mir und ich werde es singen, wenn der Weg wieder einmal herausfordernd ist.

Als ob ich eine Herausforderung heraufbeschworen hätte, mündet der Pilgerweg auf die N120, eine stark von Lastwagen befahrene Bundesstraße. Auf der Brücke über den Rio Ega wird es lebensgefährlich eng. Keine Abgrenzung zwischen Fußweg und Straße schützt die Pilger vor den verrückten Lastwagenfahrern, die sich einen Spaß daraus machen, Pilger zu „jagen“. Zum Singen ist mir nicht zu Mute. Immer wieder muss ich stehen bleiben und mich seitlich zur Straße eng an den Rand drängen. Endlich, nach dem Ort Puente de Villarente, zweigt eine Staubstraße von der Fernstraße weg und aufatmend wandere ich weiter durch Wiesen und erhole mich von dieser Anstrengung.

Wir kommen in León in strahlend schönem Sonnenschein an und setzen uns erst einmal in ein Straßencafé. Wir haben den ganzen Nachmittag Zeit, uns die Stadt anzusehen. Es fühlt sich für mich an wie Urlaub, nicht wie Pilgern. Die Stadt hat Charme und pulsiert voller Lebendigkeit. Ich bekomme ganz große Lust, mir etwas Buntes zum Anziehen zu kaufen. Ein sommerliches Oberteil, das nicht so langweilig ist, wie meine zwei dunkelblauen, sportlichen T-Shirts. Ich werde fündig. Ein leuchtend orangefarbenes, leichtes Shirt mit hübschem V-Ausschnitt in Wickeloptik. Ich fühle mich super und freu mich über meinen Neuerwerb. Am Nachmittag im Café am Platz der Kathedrale, setzt sich Leopold, einer der Österreicher, zu mir und spricht mich direkt auf meine gute Ausstrahlung an. Ja, ich sprühe vor Freude und Begeisterung über meinen „neuen, inneren Weg“. Ich bemerke die Veränderung jetzt täglich und sie scheint auf Menschen anziehend zu wirken.

Hier lerne ich auch Moni kennen, ein stilles, sehr sympathisches Mädchen, das sich zu uns setzt. Wir plaudern über den Weg und was jeder sonst macht, wenn er nicht gerade auf dem Jakobsweg pilgert. Sie spielt Schach und lebt nicht weit weg von München. „Wunderbar, dann treffen wir uns nach unserem Weg auf eine Schachpartie!“ machen wir aus. Es tut mir gut, bayerisch mit ihr zu sprechen. Ich bin „bekennende Bajuwarin“, nachdem ich nicht sehr glückliche Erinnerungen an meine „Auswanderversuche“ habe. Marga kommt ins Café und gesellt sich zu uns. Süß sieht sie aus, mit ihrem neuen Haarschnitt. Sie war hier in León beim Friseur und das hatte ihr so gut getan, wie mir der Kauf meines farbenfrohen Shirts. Sie schaut Moni, mit der ich mich wunderbar austauschen kann, etwas kritisch an. Plötzlich beugt sich Marga zu mir und küsst mich leidenschaftlich auf den Mund.



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